Mit der Urban Model Platform zu Was-wäre-wenn-Szenarien in der Stadtentwicklung

Hamburg / Städtische Daten / Werkzeuge & Technologien

Herzstück digitaler Stadtzwillinge sollen einmal „Was-wäre-wenn?“-Szenarien in den unterschiedlichen Bereichen der nachhaltigen und integrierten Stadtentwicklung sein. Sie ermöglichen es Planer:innen, Entscheidungsträger:innen und Bürger:innen, mittels Simulationen mögliche Konsequenzen von Entscheidungen vorherzusehen und zu bewerten, bevor diese in der realen Welt umgesetzt werden. Die Urban Model Platform verbindet bestehende Simulationsmodelle in einem System.

Was wäre wenn-Szenarien können aufzeigen, wie Veränderungen in der Infrastruktur zu Umweltbelastungen oder -verbesserungen führen können, wie eine neue Verkehrsführung die Mobilität der Bevölkerung beeinflusst oder welche Effekte wirtschaftliche Maßnahmen auf das Stadtklima haben könnten. Solche Simulationen tragen dazu bei, ein tiefgreifendes Verständnis für das komplexe Gefüge einer Stadt zu entwickeln, sie können Risiken minimieren, Kosten senken und letztendlich als Teil besserer Entscheidungsfindungsprozesse die Lebensqualität der Stadtbewohner:innen verbessern.

  • Physikalische Modelle können beispielsweise natürliche Phänomene wie Wind, Schall oder Überflutungen beschreiben
  • Agentenbasierte Modelle können Mobilität oder Bevölkerungsbewegungen abbilden
  • System Dynamics Modelle können Ressourcenströme berechnen
  • KI-Modelle können natürliche Sprache, Bilder, Videos und selbst 3D-Modelle für eine große Bandbreite an Anwendungen generieren

Alle diese Simulationsmodelle sind eng mit den Datenplattformen verknüpft: Um valide Ergebnisse zu liefern, benötigen Sie eine gute vorhandene Datenbasis. Die Modelle sind der fehlende Baustein, um die Daten tatsächlich nutzbar zu machen. Dafür stecken in den Algorithmen viele Annahmen über unsere Realität, über Kausalitäten, vermutete Zusammenhänge und implizites Weltwissen. Es sind diese Annahmen und Logiken, die die Prognosen und Szenarien erst ermöglichen. In agentenbasierten Modellen werden beispielsweise einzelnen Computer-Agenten gewisse Verhaltensweisen mitgegeben, wie und mit welchen Verkehrsmitteln sie sich in der Stadt fortbewegen. KI-Modelle „lernen“ mit unzähligen, sogenannten Trainingsdaten selbst, unter bestimmten Startbedingungen eine bestmögliche Vorhersage zu treffen. Für alle Modelle gilt nach dem britischen Statistiker George Box: All Models are wrong, some are useful (Alle Modelle sind fehlerhaft, manche sind nützlich). Natürlich werden diese Modelle sorgfältig validiert, verifiziert und geben uns daher guten Aufschluss über bestimmte Fragestellungen.

Urban Model Platform als System von Systemen

Viele der Simulationsmodelle existieren bereits – in unterschiedlichen Behörden, in der Privatwirtschaft und nicht zuletzt an unzähligen Lehrstühlen, Instituten und Universitäten (für die Ergebnisse einer zuvor vom City Science Lab durchgeführten Studie, siehe hier). Die Situation ist ähnlich zur Datenhaltung in vielen Kommunen. Die Modelle liegen in Silos und sind weder zugänglich, noch können sie im großen Stil miteinander verknüpft und kombiniert werden. Wie solche Silos erfolgreich aufgebrochen werden können, beweist die Urban Data Platform der Freien und Hansestadt Hamburg. Sie ist als „System von Systemen“ konzipiert und verknüpft die einzelnen Fachsysteme über offene Schnittstellen und Standards auf einer Plattform, von der aus die jeweiligen Datensätze katalogisiert und abgerufen werden können.

Das City Science Lab der HafenCity Universität Hamburg hat für das Connected Urban Twins Projekt nun den Prototypen einer Urban Model Platform entwickelt. Dieser Prototyp beweist, dass die Idee eines „Systems von Systemen“ erfolgreich von Daten auf Modelle und Algorithmen übertragen werden kann. Damit kann die „Urban Model Platform“ als Rückgrat für sämtliche verteilte Modelle und Simulationen in einem digitalen Stadtzwilling dienen. Mit dem offenen Standard der OGC API Processes (= ein Standard des Open Geospatial Consortiums (OGC) zur Ausführung von Prozessen über eine standardisierte Schnittstelle (API)) können die Modellserver von Behörden, Firmen und Forschungseinrichtungen miteinander verbunden und über eine zentrale Plattform angesprochen und ausgeführt werden. Die Simulationsmodelle verbleiben dabei auf den jeweiligen Servern der Institutionen und werden dort berechnet. Das folgende Schaubild verdeutlicht die Idee hinter einem solchen Modellserver:

Aufbau eines Modellservers © Rico Herzog

Jeder Modellserver kann unterschiedliche Microservices enthalten, die in ihrer jeweils eigenen Programmiersprache geschrieben sind und auf unterschiedlichsten Softwares aufbauen können. So hat das CityScienceLab beispielsweise gemeinsam mit Stakeholdern zwei Modelle erstellt, die sich dem Thema energetische Modernisierung und Gentrifizierungseffekten von gesamtstädtischer Perspektive (System Dynamics Modell) und von Stadtteilperspektive (agentenbasiertes Modell) nähern. Diese sind beide als Processing Microservice auf dem Modellserver des CityScienceLabs implementiert.

Auf Ebene des modularen digitalen Stadtzwillings können nun mehrere Modellserver über die Urban Model Platform verbunden und verknüpft werden, wie das folgende Schaubild zeigt:

Aufbau der Urban Model Platform © Rico Herzog

Nach ausgiebigem Testen des Prototyps steht nun der Code für die Urban Model Platform, einen Urban Model Server, und für ausgewählte Processing Microservices auf GitHub und OpenCode zur Verfügung. Zusätzlich dazu gibt es für alle Interessierten eine technische Dokumentation, in der detailliertere Informationen zu den einzelnen Komponenten enthalten sind.

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